Der Lockdown in Deutschland wurde teilweise gelockert, doch noch immer sind wir sehr eingeschränkt in dem, was erlaubt und sinnvoll ist. Aus diesem Grund möchte ich euch gerne weiterhin mit kleinen fotografischen Aufgaben versorgen, die euch diese Trockenphase vielleicht etwas verkürzen und euch fotografisch hoffentlich auch etwas weiterbringen. Inzwischen sind wir bei Teil 5 angekommen! Die ersten vier Foto-Spiele findet ihr unter diesem Link.
Für die heutige Aufgabe habe ich mich an der vorherigen orientiert und etwas umzusetzen versucht, dass man schon seit vielen Jahren immer wieder sieht: Wassertropfen. Meist wird für Tropfenfotografie ein etwas aufwendigeres Setup aufgebaut: Damit die Tropfen immer an die gleiche Stelle tropfen, nimmt man am besten ein Infusionsbesteck aus der Apotheke (so lässt sich auch der zeitliche Abstand zwischen den Tropfen gut festlegen) oder wenn man sich sehr für die Thematik interessiert und dies öfters machen möchte, sollte man zu speziellen Magnetventilen greifen, die auf die Millisekunde genau gesteuert werden und z.B. auch mehrere Tropfen in kurzer Reihenfolge hintereinander sich treffen lassen können. Desweiteren nimmt man in der Regel einen Blitz, den man entweder auf den Hintergrund richtet oder durch einen Diffusor blitzt, der dann als Hintergrund fungiert. Zu aufwendig für ein kurzes Fotoprojekt? Sehe ich auch so. Daher versuchen wir heute, solche Tropfenfotografie ohne zusätzliche Lichtquelle und ohne in die Apotheke rennen zu müssen, umzusetzen! 🙂
Dafür solltet ihr euch folgendes zusammenrichten:
- eine Schale, die ihr mit Wasser füllt
- eure Kamera am besten natürlich wieder auf einem Stativ
- am besten ein Makro-Objektiv; geht aber auch mit Standardzoom (evtl. später croppen)
- einen weißen Hintergrund (wie immer: egal was!)
- Sonnenlicht
- eine Nachttischlampe als “Tropf-Stativ”
- einen Teebeutel / ein Küchentuch
Aber zunächst einmal ein Beispiel, damit ihr wisst, um was es geht:
Als erstes war mir wieder wichtig, dass ihr es ohne große technische Hilfsmittel umsetzen könnt. Also bin ich wieder auf meinen Balkon umgezogen, habe meine Kamera wieder auf mein beliebtes Bodenstativ gesetzt und habe mein Makroobjektiv angesetzt. Dann habe ich eine weiße Backschüssel mit Wasser gefüllt und die Rückseite eines meiner Wandkalender als Hintergrund gegen die Wand gestellt. Dann überlegte ich, wie ich die Tropfvorrichtung über die Schale bekomme. Ein Lampenstativ mit Galgen war mein erster Gedanke, aber das haben ja wieder nicht alle. So bin ich durch meine Wohnung getigert und wurde bei einer Nachttischlampe fündig! Schwupps, raus mit ihr auf den Balkon, die Lampenfassung habe ich dann leicht über die Schüssel geschwenkt und mit einer Wäscheklammer einen leeren Teebeutel daran befestigt. Sah seltsam aus, funktionierte aber! 🙂 Dann habe ich mit einer kleinen Gießkanne den Teebeutel getränkt und nachdem das meiste Wasser weg war, kamen die richtigen Tropfen! Wichtig war mir, dass alles in der Sonne war! Erste Ergebnisse sahen dann so aus:
Den richtigen Zeitpunkt zu erwischen, ist nicht ganz einfach. Dafür stellte ich an der Kamera wieder den elektronischen Verschluss (ES) und die schnellen Serienbilder mit 20 Bilder/Sekunde ein. Dann habe ich meinen Finger in die Schale getaucht und darauf fokussiert und anschließend die Kamera wieder in den manuellen Fokus versetzt, damit dieser wirklich gleich blieb. Da ich mit meinem Aufbau allerdings die Tropfen nicht immer genau an der gleichen Stelle behalten konnte (es war recht windig, was den Teebeutel ins Schwingen versetzte), musste ich stark abblenden, damit die Schärfentiefe diese Differenzen dennoch abdeckte. Somit kamen wir zum nächsten Problem: Eine große Blendenzahl für eine große Schärfentiefe bedeutet aber gleichzeitig nur sehr wenig Licht, was auf den Sensor trifft. Kein Problem – verlängern wir die Verschlusszeit! Äh, nein. Tropfen fallen mit einer recht hohen Geschwindigkeit und um diese einzufrieren, benötigen wir eine sehr kurze Verschlusszeit! Mist. Dann hilft also nur noch die Iso-Empfindlichkeit zu erhöhen! So kam ich bei mir auf die aberwitzigen Einstellungen von 1/3200s bei Blende 16 und ISO (sage und schreibe) 5000! Ehrlich gesagt tut mir das nicht im Geringsten weh, denn ich mache mir mit den heutigen Kameras überhaupt keine Gedanken mehr über ISO-Rauschen. Im Gegenteil, mir persönlich sind heutige Kameras in der Regel zu sauber, zu künstlich, so dass ich oft in der Nachbearbeitung wieder eine Körnung hinzufüge. Aber das ist mein persönlicher Geschmack…
Was mir bei den oben gezeigten Bildern aber gleich auffiel, war dass die Schatten der kleinen Wellen mich hierbei störten und ich daher am Licht etwas verändern musste. Ich wollte ein diffuses Licht über dem Wasser und direktes Licht auf dem Hintergrund, damit dieser schön weiß einspiegelte. Dafür riss ich ein altes Kalenderblatt heraus und legte es so auf den Balkontisch, dass nur die Schale dadurch abgeschattet wurde. Geht es mit einem Diffusor, den ich an einem Stativ befestige besser? Klar – hat aber wieder nicht jeder… 😉 Nachdem ich etwas rumgespielt hatte, endete ich schließlich bei diesem Aufbau:
Hier könnt ihr deutlich sehen, wie der Kalender sich in der Schale einspiegelt, wodurch wir eine “ebene” Oberfläche im Bild bekommen, das diffuse Licht wird keine Schatten unter den Wellen entstehen lassen. Diese Lichtstimmung wollte ich! Allerdings bedeutet Schatten ja auch gleichzeitig wieder wenig Licht – was tun? Klar: ISO weiter hoch. Moment, vielleicht können einige der Leser gar nicht so weit hoch. Hm, dann halt mit Blende und Verschlusszeit spielen, bis die Werte passen. Schlussendlich landete ich bei folgenden Einstellungen: 1/2500s bei Blende 11 und ISO 5000. Um etwas Farbe mit ins Spiel zu bringen schob ich den Weißabgleich hinunter bis auf 3000 Kelvin. Die dadurch entstehende blaue Farbgebung passte in meinen Augen gut zu den Tropfenbildern.
Bei den unteren beiden Bildern verschob ich zusätzlich im Raw Konverter noch den Tint etwas, um die Farben noch leicht zu variieren. Und wo ich schon dabei war, färbte ich so auch noch ein paar Bilder aus der ersten Serie mit den Wasserstrukturen ein:
Ich muss gestehen, bei dieser Spielerei fehlte mir bislang am meisten mein professionelles Equipment. Wenn man sich einmal an die Arbeit mit Blitz und Studioaufbauten gewöhnt hat, ist es gar nicht so leicht, wieder zurückzutreten und zu schauen, wie man es auch auf unkompliziertem Wege umsetzen kann. Das Schöne dabei ist aber: Es kann niemand sagen “Das kann ich nicht, denn diese ganze Technik habe ich nicht oder kann sie mir nicht leisten”… 😉 In diesem Sinne: Frohes Spielen!!!
Martin
P.S.: Die die bisherigen kreativen Foto-Spiele findet ihr unter den unten aufgeführten Links!