Lichtformung bei Tageslicht

Lichtformung bei Tageslicht

Wie ihr in den letzten Beiträgen gesehen habt, ist Fensterlicht oder das Licht unter Überdachungen hervorragend für sehr einfache, aber schöne Portraits geeignet. Dennoch kann es sein, dass wir das Licht in irgendeiner Form verändern, etwas hinzufügen oder hinweg nehmen müssen, um unser gewünschtes Resultat zu erhalten. Darum soll es heute gehen: Lichtformung bei Tageslicht.

Lichtformer

Wenn man das Wort “Lichtformer” hört, hüpfen vermutlich den meisten Fotografen Gadgets aus dem Blitz-Bereich vor das innere Auge: Softboxen, Schirme, Snoots, Normalreflektoren etc. Die wenigsten werden an die einfachsten und vermutlich am häufigsten benutzten Lichtformer überhaupt denken – Aufheller, Lichtschlucker und Diffusoren. Mit ihnen kann ich Licht auf unser Motiv zurückwerfen (Reflektor/Aufheller), Reflexionen mindern / Schwarz “einspiegeln” (Lichtschlucker) oder das Licht durch ein teiltransparentes Material schicken (Diffusor) – was das bedeutet, erläre ich weiter unten.

Aufheller / Reflektoren

Die runden Pop-up-Reflektoren kennt wohl jeder, der sich schon ein wenig mit Portraitfotografie auseinandergesetzt hat. Diese gibt es in diversen Größen und Formen (rund oder oval) für kleines Geld im Fachhandel. Meist kommen diese gleich mit unterschiedlichen Bespannungen, so dass man dann schnell 5in1 oder gar 7in1 hat. Im professionelleren Rahmen greift man eher zu Aufhellern, die auf stabile Rahmen aufgezogen sind und somit die Form besser halten und ggf. auch an Stativen befestigt werden können.

Prinzipiell stellt sich beim Aufhellen immer folgende Frage: Will ich NUR die Schatten des aktuellen Hauptlichts aufhellen (also Kontrast mindern) oder möchte ich überhaupt erst ein Hauptlicht (also eine gewisse Lichtcharakteristik) mit dem Aufheller erzeugen? Nach der Antwort dieser Frage entscheidet sich das weitere Vorgehen. Zur reinen Aufhellung der Schatten rate ich dazu, den Aufheller quasi aus der Lichtquelle heraus zu bewegen, was zu einer natürlich wirkenden Aufhellung führt, und nicht (wie oft kategorisch “befohlen” wird) ihn gegenüber der Lichtquelle zu positionieren. Denn das führt schnell zu einer einseitigen Aufhellung, was schnell zum (von mir) sogenannten Streifenhörnchen führt: z.B. Licht von links, Schattenwurf auf der abgewandten Seite, Aufhellung ganz von der anderen Seite, also hell – dunkel – hell.

Wird der Aufheller hingegen als Hauptlicht verwendet, so sollte dieser immer über oder zumindest auf Augenhöhe des Modells positioniert werden. So erhalten wir einen Schattenwurf, der nach unten fällt und ein natürliches Licht erzeugt.

Viele kennen vermutlich die Aussage, dass diffuses Tageslicht alles ist, was man für schöne Portraits braucht – nun ja, auch hierbei kann ein Aufheller wirklich hilfreich sein! Je nachdem, welchen Look man vor Augen hat! Aber seht selbst:

Hierbei wurde ein weißer Reflektor von vorn und leicht unter dem Gesicht haltend verwendet. Dadurch wurde die Halspartie etwas aufgehellt, jedoch ohne die Trennung von Hals und Gesicht zu verlieren. Das Gesicht wirkt ebener und die Augen strahlen durch den hinzugekommenen Reflex etwas mehr.

Bei folgendem Beispiel saß das Modell am Waldrand mit Licht von rechts, wodurch ein recht hoher Kontrast entstand, der für Schwarzweiß in Ordnung war. Für eine Farbfotografie hingegen war mir dieser zu hoch, woraufhin ich zu einem Aufheller griff. Asche auf mein damals noch jugendliches Haupt: Die Aufhellung ist in meinen Augen zu stark und von zu weit unten. Dadurch wird Kinn, Wange und Nasenunterseite unnötig stark angeleuchtet und betont. Hier hätte die Aufhellung lieber mit der weißen statt der silbernen Bespannung und weiter aus Lichtrichtung erfolgen sollen!

Im folgenden Beispiel standen wir auf einer kleinen Flussbrücke und ich drehte das Modell in Lichtrichtung. Durch die seitlichen Bäume kam das Licht nun praktisch ausschließlich von schräg vorne, was zu einem recht kontrastreichen Portrait und recht wenig Licht in den Augen führte. Dann bat ich mein Modell, mit mir die Seite zu tauschen, so dass sie quasi im Gegenlicht stand und praktisch kein Licht von vorn ins Gesicht bekam. Anschließend positionierte ich einen großen silbernen Aufheller direkt hinter/über mir, so dass Licht auf Augenhöhe das Gesicht aufhellte. Somit haben wir schön hell ausgeleuchtetes Gesicht (auch wenn ich heutzutage den Aufheller unbedingt höher positioniert hätte) und gleichzeitig behalten wir den Schimmer auf den Haaren, der durch das hochstehende Gegenlicht entstand. Ein Unterschied von 2m, 2 Minuten und einem Aufheller – aber zwei sehr unterschiedliche Portraits.

Lichtschlucker / Abschatter

Oben beschrieb ich, dass man Aufheller oft mit unterschiedlichen Bespannungen findet, bis hin zu 7in1. Dabei ist eine Bespannung meist schwarz – entweder leicht glänzend oder wirklich mattschwarz. Die meisten Hobbyfotografen nutzen diese Seite des Reflektores – wenn überhaupt – als Hintergrund. Man kann diese Bespannung aber auch zum Steigern des Kontrasts bzw. um schwarz einzuspiegeln nutzen. Früher nannte man diese Technik politisch höchst unkorrekt “abnegern”, ich bevorzuge “schwarz einspiegeln”…

Hier fotografierte ich das Portrait mit Fensterlicht von links kommend, die weiße Wand rechts von uns hellte aber die Schattenpartien für meinen Geschmack für ein S/W-Portrait zu sehr auf. Daraufhin positionierte ich einen Lichtschlucker vor besagter weißer Wand, der die Reflektion schluckte und somit für einen um einiges höheren Kontrast im Bild sorgte (rechts).

Diffusor

Zu guter Letzt zum Diffusor. Solch ein Hilfsmittel findet man auch in den meisten Popup-Reflektoren oder es gibt sie natürlich auch einzeln in unterschiedlichsten Formen und Größen. Letztendlich handelt es sich hierbei rein um ein teiltransparentes Material, meist ein dünner Stoff oder seltener Kunststoff. Wenn ihr bei eurem Xin1-Reflektor die Bespannung abnehmt, ist der runde Metalring mit einem stück weißen Stoff bespannt – eurem Diffusor. Diese sind in aller Regel recht dicht und schluckem meist ca. 2 Blendenstufen, funktionieren aber! Im professionellen Bereich werden oft unterschiedlich dichte Gase angeboten, im Modebereich arbeiteten wir viel mit Diffusoren, die 2/3 Blendenstufen schluckten.

Ein Diffusor macht mehrere Dinge gleichzeitig: Zum einen kann er die Lichtquelle vergrößern, ähnlich den Wolken. Die Sonne ist ein kleiner Punkt am Himmel, wenn diese aber den Diffusorstoff anstrahlt, wird dieser zur Lichtquelle und ist somit vom Modell aus gesehen größer, wodurch der Schattenverlauf weicher wird. Zweitens schluckt er natürlich etwas Licht, womit man auf den Beleuchtungskontrast leicht eingehen kann. Die in meinen Augen aber wirklich entscheidende Eigenschaft ist aber, dass wir mit diesen Hilfsmitteln die Spitzlichteigenschaften (also Glanzstellen und Reflexionen) beeinflussen können! Ist die Lichtquelle nah am Diffusor (wie das z.B. bei flachen Softboxen der Fall ist), erhalten wir eine höhere “Specularity”, also schneller Glanzstellen. Entfernen wir hingegen die Lichtquelle vom Diffusor (wie es bei Tageslicht der Fall ist – die Sonne ist WEIT WEIT weg), reduzieren wir diesen Spitzlichtkontrast, was zu einer sehr gleichmäßigen Haut führt. Hier ein Beispiel aus dem Studio: Das Bild links wurde rein mit einem Blitz mit Normalreflektor ausgeleuchtet und ist daher sehr kontrastreich und es sind recht viele Glanzstellen in der Haut zu erkennen. Beim mittleren Bild wurde ein Diffusor zwischen Modell und Blitz geschoben, was natürlich die Belichtung veränderte. Im rechten Bild habe ich schließlich die Belichtung wieder angepasst, was nun zu einer ganz anderen Lichtcharakteristik führte. Nicht nur auf dem Modell selbst, aber auch der Hintergrund wurde heller im Vergleich zum Modell, da dieser nach wie vor direktes Licht abbekam.

Bei Tageslicht geht das natürlich ebenso. Hier ein Bild, bei dem ich einen großen Diffusor auf einem Stativ leicht rechts hinter mir positionierte (man sieht die Position und mich gut in ihrem Augenreflex). Im direkten Sonnenlicht wäre es mit ihrem Hut ein wirkliches Problem geworden…

Hier noch ein Beispiel aus einem Workshop, den ich vor doch schon gar einigen Jahren gegeben habe – damals noch mit einem ganz einfachen 5in1-Reflektor/-Diffusor und zwei einfachen, silbernen Aufhellern. In direktem Sonnenschein kommt der Diffusor zum Einsatz, der für die Lichtqualität auf meinem Modell sorgt. Die zwei silbernen Aufheller nutzte ich in diesem Fall, um ein Kantenlicht auf dem Modell zu erzeugen, um die Plastizität zu steigern und es besser vom Hintergrund zu lösen.

Und hier mein Lichttest-Ergebnis, bevor – wie oben gezeigt – die Teilnehmer fotografieren durften:

Für mich ist der Diffusor der am meisten genutzte Lichtformer! In Verbindung mit Blitz- oder Dauerlicht, aber auch oder besonders bei Tageslicht! Wenn ihr nicht wisst, was ihr euch zuerst kaufen sollt, nehmt einen 5in1 Popup-Reflektor mit etwa 1m Durchmesser. Den könnt ihr noch ganz gut alleine handeln und er ist leicht zu transportieren. Solltet ihr merken, dass ihr eine Bespannung davon besonders oft nutzt, rate ich hingegen zu einem Modell, das auf einen Rahmen aufgespannt wird, wie z.B. von Lastolight, California Sunbounce oder Westcott.

Solltet ihr Interesse an einem meiner Portrait-Workshops haben, schaut doch z.B. bei meinen Kursen für die FUJIFILM School nach!

Viel Spaß beim Ausprobieren und sollten Fragen kommen, schießt jederzeit los!
Martin

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