Wir bleiben noch etwas beim Thema “Portraitfotografie”. In den letzten beiden Beiträgen ging es um Fensterlicht bzw. wie man auch durch ein Fenster hindurch Portraits fotografieren kann. Heute möchte ich daran nochmals ansetzen und das Thema weiterführen – aber keine Sorge, ich fange nicht schon wieder mit Fenstern an (irgendwann ist’s dann auch genug). Denn Fensterlicht ist zwar das wohl einfachstes Portrait-Licht überhaupt, aber was macht es denn so einfach und so schön? Und können wir diese Eigenschaften nicht auch andersweitig finden? Schauen wir’s uns an…
Was Fensterlicht so interessant macht
Zum einen ist es tagsüber natürlich immer vorhanden, ich brauche also keine teuren Blitze oder Dauerlichtlampen zu kaufen. Klar. Zum anderen ist es, wenn kein direktes Sonnenlicht hineinscheint, ein wunderschön weiches Licht mit nur dezentem Lichtabfall. Und drittens hat es eine eindeutige Richtung. Dass es tagsüber hell ist, hat nichts mit dem Fenster zu tun, dass diffuses Licht schön weich ist auch nicht, also bleibt nur die Lichtrichtung übrig – die ist enorm wichtig! Aber ob in diesem Loch in der Wand Glas sitzt oder nicht, spielt keine Rolle, wir wir ja schon im letzten Beitrag gezeigt haben. Um das nochmals zu unterstreichen, hier zwei Beispiele: Fenster auf oder zu ist dafür also egal!
Wo dieses Licht noch zu finden ist
Wenn es nicht die Scheibe ist, dann liegt es wohl am Setting. Da das Licht von oben kommt, ist egal, ob es ein Fenster oder eine Balkontür ist. Und ob diese offen oder zu sein muss, haben wir ja auch gerade geklärt. Mit anderen Worten: Ihr braucht lediglich eine Überdachung, die euer Modell von oben abschattet! Das kann eine Tür, eine Garageneinfahrt, eine Unterführung, Arkaden, ein überhängender Baum oder ein einfacher Sonnenschirm sein – nur muss das Licht von schräg oben kommen! Schaut her: Beim linken Bild steht Emilia außerhalb der Überdachung, das Licht kommt direkt von oben – kein Augenreflex, die Augen liegen im Schatten. Beim rechten hingegen genau an der Kante der Überdachung – und schwupps haben wir ein ganz anderes Licht! Schöne Augenreflexe, helle Augen und trotzdem ein schön modelliertes Gesicht.
Positionierung
Wie ihr seht, funktioniert dieses Prinzip bei Ausschnitten wie auch bei Ganzkörperaufnahmen. Ihr könnt den “Beleuchtungsinkel” verändern, indem ihr euer Modell näher an die Kante der Überdachung (Licht von weiter oben) oder weiter unter die Überdachung (Licht eher von vorn) dirigiert. Das lässt sich bei den drei obigen Beispielen gut sehen: Bei den äußeren Portraits kommt das Licht von recht weit oben, die Gesichter sind stark modelliert und das Gesicht hebt sich durch den Schattenwurf vom Hals gut ab. Beim Paarportrait in der Mitte hingegen kommt das Licht mehr von vorn, was zu einer flacheren Ausleuchtung führt und die Gesichter nicht mehr so stark modelliert.
Stolperstein
Bei diesem Licht können eigentlich nur zwei Dinge schief gehen: Stellt ihr euer Modell zu weit heraus aus dem Schatten, dann passiert das, ich zwei Bilder weiter oben links gezeigt habe – die Augen liegen im Schatten. Oder ihr positioniert euer Modell zu tief unter der Überdachung, dann kommt kein Licht mehr von schäg oben auf unser Modell, sondern das Licht reflektiert vom Boden zurück und es kommt zu einer Beleuchtung von unten.
Weiterführung
Natürlich könnt ihr euch jetzt auch noch um das Modell herum bewegen bzw. das Modell bitten, sich selbst noch etwas zu drehen. Dadurch erhaltet ihr unterschiedliche Lichtrichtungen und komplett unterschiedliche Lichtstimmungen. Das ist ein wichtiger Schritt, denn je mehr unterschiedliche Bilder ihr ohne großes Umziehen, Umbauen oder neues Positionieren erhaltet, desto flüssiger und ertragreicher wird euer Shooting verlaufen!
All diese Bilder sind übrigens ohne jegliche Hilfsmittel wie Blitz, Aufheller oder Diffusor entstanden – reines Tageslicht, super einfach. Wenn es jetzt also langsam in Richtung Frühling geht, probiert doch die mit Fensterlicht gewonnen Erkenntnisse direkt mal in der Natur oder irgendwo in der Stadt aus! Und wenn ihr wie immer mehr Inspiration für eure Portraits sucht, schaut doch hier im Blog mal nach meinem Portrait-Projekt – dort beschreibe ich die einzelnen Aufnahmen alle mit Beleuchtungsskizzen. Und solltet ihr Interesse an einem meiner Portrait-Workshops haben, schaut doch z.B. bei meinen Kursen für die FUJIFILM School nach! Der nächste startet im März und heißt “One Light Wonders“!
Viel Spaß beim Ausprobieren und sollten Fragen kommen, schießt jederzeit los!
Martin