Auftakt Portrait-Projekt 2020

Seitdem ich mich 2007 als Fotograf selbständig gemacht habe, hat sich mein Tätigkeitsfeld ständig verändert. Meine Ausbildung hatte ich in einem Portraitstudio gemacht, wodurch natürlich in diesem Bereich zunächst ein Großteil meiner Aufträge erfolgte. Mit der Zeit kamen dann immer mehr Aufträge aus Reportage, Akt, Werbung und Architektur hinzu, durch die von mir geleiteten Fotoreisen wuchs der Landschaftsbereich und meine Aufträge für Tourismuskunden und deren Kataloge verbanden vieles davon. Bei all dem verlor die klassische Portrait-Fotografie jedoch immer mehr an Stellenwert. Das wollte ich ändern und nahm mir 2020 vor, mal wieder ein eigenes, freies Projekt im Portraitbereich umzusetzen – nun kam mir leider Corona in die Quere, so dass ich es gerade pausieren muss, aber nichtsdestotrotz möchte ich euch hier schon mal die ersten Ergebnisse zeigen! Wie immer werde ich auch etwas über die technischen Hintergründe sowie die Lichtsetzung erzählen, damit das nicht nur reine Bild-Postings werden, sondern ihr vielleicht auch noch etwas davon mitnehmen könnt…

Mein erstes Modell für dieses Projekt war meine Frau, die sich netterweise wieder einmal bereiterklärte, mich bei diesem Projekt zu unterstützen.

Wir waren über ein Wochenende unterwegs und ich beschloss, die Bilder vor Ort zu machen. Dafür packte ich nur wenig ein: Meine Fujifilm X-T3 mit dem Fujinon 35/1.4 und meinem Canon 85/1.8 am Viltrox-Adapter EF/X. Lichttechnisch beschränkte ich mich auf nur einen Systemblitz, einen Hähnel Modus 600RT mit dem dazu gehörigen Viper-Fernauslöser, dem sehr kompakten Lampenstativ Manfrotto NanoB, auf dem ein Schirmneiger saß, damit ich den Blitz und eine 80cm-Oktabox darauf befestigen konnte. Das alles passte locker in meine Tasche, die ich für’s Wochenende gepackt hatte… Die Equipmentliste findet ihr am Ende dieses Beitrages mit Direktlinks (affiliate links) zu den einzelnen Produkten.

Ich fotografiere inzwischen sehr gerne on location und nicht mehr im Studio. Zum einen zwingt mich das immer wieder auf’s Neue, mich mit Lichtsetzung und Posing auseinanderzusetzen, denn ich kann nicht wie im Studio die Lampen einfach stehen lassen. Zum anderen bringe ich auch gern kleine Details der Umgebung mit ins Bild – was im Studio oft ein schieres Lagerproblem ist. So habe ich meine Frau zunächst gebeten, sich auf der Armlehne der Couch niederzulassen, so dass es für sie eine angenehme Pose ergab und ich die Couch und die dahinterliegende Stehlampe in der Komposition unterbringen konnte.

Zuerst die Belichtung: Was ist mein Ziel?

  • Eine geringe Schärfentiefe, damit die Stehlampe und Wand hinter ihr leicht unscharf wurden. Lösung: eine kleine Blendenzahl.
  • Die Stehlampe sollte hell sein, aber nicht ausfressen. Lösung: Belichtungszeit an Lampenhelligkeit anpassen.

Zuerst wählte ich die Blende, mit der ich fotografieren wollte. Mein 35mm-Objektiv bietet mir maximal f/1.4, aber der Abbildungsleistung halber blendete ich auf f/2 ab. Im zweiten Schritt musste nun die Umgebungshelligkeit in die Belichtung mit einfließen. Also testete ich, bei welcher Verschlusszeit die Stehlampe zwar hell aussieht, aber nicht überstrahlt. Dabei landete ich bei 1/640s bei f/2. Die ISO-Empfindlichkeit hierbei ist eigentlich irrelevant, aber ich war auf ISO 200. Alles, was ich nun also noch anpassen musste, war die Ausrichtung und Leistung des Blitzes, um bei den genannten Einstellungen eine korrekte Belichtung zu erhalten.

Ich stellte das Lampenstativ sehr nah an meiner Frau auf, so dass das Licht nicht den kompletten Raum flutete, sondern sich eher auf sie begrenzen ließ. Die 80cm-Oktabox wird indirekt ausgeleuchtet, was enorm hilft, Hotspots zu vermeiden – inzwischen nutze ich fast nur noch solche Lichtformer. Die Oktabox drehte ich zudem noch leicht weg von ihr, so dass sie eigentlich vor ihr vorbeileuchtete. Im Englischen nennt man das “feathering”, was letztendlich nur bedeutet, dass man die diffuseren Randstrahlen des Lichtes nutzt. Dadurch hat man weniger Lichtabfall auf dem Modell, weniger Licht auf dem Hintergrund und weniger Hotspots. Wie das alles aussah, könnt ihr dem folgenden Setup entnehmen (zum besseren Nachvollziehen habe ich das Ergebnis nochmals nebenangestellt):

Als nächstes bat ich sie, sich auf die Kante des Bettes zu setzen, so dass ich etwas Platz hinter ihr hatte und somit einen schön unscharfen Hintergrund erhielt. Vom Licht her war es einfacher, ich konnte einfach auf meine Synchronzeit oder länger zurückgreifen, da keine hellen Lichter mehr im Bild zu sehen waren. Ich platzierte den Blitz nun in einer hochfrontalen Position und auch hier neigte ich ihn wieder leicht nach unten, so dass er nicht direkt ihr Gesicht traf, sondern eher den Oberkörper, was zu einer gleichmäßigeren Ausleuchtung führte (vgl. feathering weiter oben). Wenn ihr genau hinseht, könnt ihr aber noch einen zweiten Lichtpunkt in ihren Augen erkenne: Die Schatten waren mir etwas zu dunkel, so dass ich schlicht das weiße Kopfkissen vom Bett nahm und es als Aufheller “missbrauchte”. War ein wenig schlabberig und somit schwer zu positionieren, ging aber… Belichtungstechnisch kam ich hier mit 35mm Brennweite und 1/160s bei f/1.8 und ISO 160 heraus:

Ein drittes Lichtszenario wollte ich noch umsetzen und bat mein Modell, sich nun ans Fußende des Bettes zu stellen, so dass ich wieder einen anderen Hintergrund bekam. Wenn schon anders, dann richtig anders… 😉 Dieses Mal wollte ich einen natürlichen Look, dass das Blitzlicht nicht so sehr als solches zu identifizieren ist. Dafür drehte ich die Oktabox einfach und blitze schräg an die hinter mir liegende Wand und füllte somit den kompletten Raum mit Licht, was zu einer gleichmäßigen Ausleuchtung der Szene und großen Augenreflexen führte. Fensterlicht auf Kommando quasi… Dafür nutzte ich das Canon 85/1.8, da ich einen etwas engeren Ausschnitt haben wollte und mir dafür die 35mm etwas zu knapp waren.

Für mich war es ein kurzer, schön unaufwendiger Start in das Projekt und ich freue mich jetzt schon, es nach Corona endlich fortsetzen zu können! Nächste Woche geht es weiter mit Teil 2 der Serie!

Solltet ihr Fragen haben, postet diese wie immer gerne in den Kommentaren
Martin

 

Benutztes Equipment (affiliate links):
Fujifilm X-T3
Fujinon XF 35/1.4
Canon EF 85/1.8
Viltrox Adapter EF/X
Hähnel Modus 600RT mit Viper
Manfrotto NanoB Lampenstativ
Schirmneiger
Neewer 80cm Oktabox

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