Um gezielt mit einer neuen Kamera arbeiten zu können, muss ich mich anfangs stets mit den technischen Begebenheiten, Stärken und Schwächen des Systems vertraut machen. Einige Punkte, die für mich hierbei relevant sind, wären folgende:
- Der Dynamikumfang: Nur wenn ich ich weiß, was die Kamera alles aufzeichnen kann, kann ich auch gezielt damit arbeiten.
- Das Rauschverhalten: Wie entwickelt sich das Sensorrauschen bei den verschiedenen ISO-Stufen sowie unterschiedlichen Bildhelligkeiten
- Die Förderliche Blende bei Fernaufnahmen: Wie weit kann ich abblenden, bevor Beugungsunschärfen meine Aufnahme unscharf erscheinen lassen.
- Die Bildstabilisierung – in der Kamera (IBIS) und/oder im Objektiv: Z.B. wie viele EV können bei der individuellen Arbeitsweise wirklich ausgeglichen werden oder wie verhält sich der Stabi bei der Arbeit vom Stativ aus.
- Der Autofokus: Mit welchen Einstellungen bzw. unter welchen Bedingungen arbeitet der Autofokus treffsicher?
Die folgenden Ansichten sind absolut keine objektiven Laborergebnisse, sondern rein subjektiv, allein auf meine ganz eigene Art der Fotografie bezogen, relevante Erkenntnisse.
Der Dynamikumfang
Der Dynamikumfang gibt an, welchen Kontrast der Sensor wiedergeben kann. Der Kontrastumfang hingegen gibt an, wieviel Kontrast in der zu fotografierenden Szenerie vorhanden ist. Also den Unterschied zwischen der hellsten und der dunkelsten Stelle im Motiv. Ist der Kontrastumfang größer als der Dynamikumfang, muss ich entweder mittels Grauverlaufsfilter den Kontrast der Szene reduzieren oder auf eine Belichtungsreihe und Bildbearbeitung zurückgreifen. Ist der Dynamikumfang größer als der Kontrastumfang, kann ich die Belichtung im Histogramm entweder nach rechts oder links verschieben, ohne irgendwo anzustoßen. Da digitale Sensoren linear arbeiten, enthalten die hellsten Bildstellen die Hälfte aller Tonwerte, die die Kamera aufzeichnen kann. Je dunkler wir belichten, desto weniger Tonwerte werden aufgezeichnet. Daher lohnt es, stets so hell wie möglich zu fotografieren, ohne jedoch am rechten Ende des Histogramms anzustoßen (denn dann verlieren wir Zeichnung in den Lichtern). Wer mehr über diese Technik erfahren möchte, findet unter ihrem Namen “Expose to the right” unzählige Infos im Netz.
Also gilt es für mich herauszufinden, wann bei der Fujifilm X-T5 wirklich die Lichter beginnen auszufressen – denn das Histogramm einer Kamera zeigt immer nur die Helligkeitsverteilung der jeweiligen JPEG-Einstellungen an, selbst wenn man RAW fotografiert. Dafür fotografiere ich eine Belichtungsreihe des identischen Motivs bis die Lichter im Histogramm rechts anstoßen. Und dann belichte ich noch einige weitere Stufen heller in 1/3-Schritten. Anschließend öffne ich die RAW-Dateien im Konverter meiner Wahl und überprüfe, bei welchen RAWs wirklich die Zeichnung in den Lichtern verloren geht – das RAW kann ja weitaus mehr Informationen aufzeichnen (JPEG: 256 (8-bit) Tonwerte pro Kanal; RAW: 4096 (12-bit)/16384 (14-bit)/65536(16-bit) Tonwerte pro Kanal). So kann ich also die Diskrepanz zwischen der Anzeige an der Kamera und dem realen Verlust an Zeichnung in den Lichtern ermitteln. So kann es z.B. sein, dass mir die Kamera anzeigt, dass ich im Histogramm rechts anstoße, ich durch den vorhegehenden Test jedoch weiß, dass ich noch immer 2/3 EV heller belichten kann, ohne Zeichnung zu verlieren. Ich habe hierbei versucht, Kameraeinstellungen zu finden, die mir ein Histogramm möglichst nahe an der wirklichen Belichtung des RAWs zeigen. Je nach JPEG-Einstellungen kann dieser Wert natürlich stark variieren. Habe ich diesen Test aber einmal durchgeführt, gilt das Ergebnis natürlich nur für die gewählte ISO-Einstellung und den gewählten Dynamikbereich (Einstellungsoption nur bei Kameras von Fujifilm). Ändere ich eine dieser Einstellungen, ändert sich auch der Dynamikumfang.
Im obigen Beispiel habe ich so belichtet, dass meine Lichter durchzeichnet waren und habe per Nachbearbeitung in Adobe Lightroom die Schatten aufgehellt. Wie man im Vergleich gut sieht, hält sich das Rauschen enorm in Grenzen, die Detailwiedergabe leidet allerdings etwas. Alternativ hätte ich eine Belichtungsreihe zu einem HDR mit anschließendem Tonemapping verarbeiten müssen, was zu einem weitaus höhren Zeitaufwand geführt hätte.
Das Rauschverhalten
Eng mit dem Dynamikumfang einer Kamera verbunden ist deren Rauschverhalten. Denn jeder Sensor hat ein gewisses Grundrauschen. Je höher wir die ISO-Empfindlichkeit wählen, desto mehr verstärken wir dieses Grundrauschen. Grundätzlich tritt Bildrauschen stärker in dunklen Bildbereichen auf als in helleren Bereichen. Hellen wir nun diese dunklen Bildbereiche in der Bildbearbeitung auf, verstärken wir zusätzlich das ohnehin schon dort stärkere Bildrauschen und nehmen somit direkten Einfluss auf den für uns nutzbaren Dynamikumfang der Kamera. Wie stark allerdings das Bildrauschen sichtbar sein sollte bzw. darf, ist abhängig von persönlichem Geschmack, der gewünschten Darstellungsgröße sowie natürlich auch den Kundenvorgaben. Beim obigen Beispiel sieht man jedoch gut, dass die Fujifilm X-T5 bei ISO125 (der Basisempfindlichkeit der Kamera) so wenig in den Tiefen rauscht, dass man selbst eine solch starke Aufhellung problemlos durchführen kann. Hier noch ein Beispiel des Bildrauschens bei ISO3200 und dezenter Aufhellung im RAW-Konverter:
Die Förderliche Blende
Schließt man die Blende sehr weit, kommt es zu Beugungsunschärfen: Obwohl durch das Schließen der Blende die Schärfentiefe zunimmt, gibt es dennoch einen Punkt, an dem die entstehende Beugungsunschärfe die Detailschärfe völlig reduziert und das Bild matschig/unscharf wirkt. Wann diese Beugungsunschärfen sichtbar werden, hängt besonders von zwei Faktoren ab: Dem Pixelpitch (vereinfacht: der Größe eines Pixels auf dem jeweiligen Sensor), dem Abbildungsmaßstab und dem Betrachtungsabstand des fertigen Bildes. Da sich der Abbildungsmaßstab im Nahbereich laufend ändert, ist es ratsam hier, eine Blendenreihe seiner Aufnahme zu fotografieren, um die schärfste Abbildung zu ermitteln. Für einen unendlich kleinen Abbildungsmaßstab (Fernaufnahme) kann man einmalig einen Test fotografieren, um zu ermitteln, ab welcher Blendenstufe erste Beugungsunschärfen sichtbar werden. Danach ist es immer ein Abwägen zwischen der gewünschten Schärfentiefe und möglichen Beugungsunschärfen. Bei der X-T5 kam ich nach diesem Test auf eine Förderliche Blende von 6,3 (in der 100%-Ansicht). Für den Druck versuche ich nicht, über Blende 11 zu kommen.
Anmerkung: Immer wieder wird die Förderliche Blende mit der Blende der höchsten Abbildungsleistung gleichgesetzt. Das ist nicht ganz korrekt. Die offenste Blendenstufe, bei der objektivbedingte Abbildungsfehler auf ein Minimum reduziert sind, nennt sich kritische Blende und hat nichts mit Beugungsunschärfen zu tun.
Die Bildstabilisierung
Heutzutage (2023) haben die meisten, jedoch nicht alle Kameras eine Bildstabilisierung aka Verwacklungsschutz. Diese können in Form von beweglichen Linsenelementen im Objektiv, als beweglich gelagerter Sensor oder wie bei der Fujifilm X-T5 als eine Kombination aus optischer Bildstabilisierung im Objektiv (OIS) und in-body image stabilisation (IBIS) vorkommen. Wie gut diese Bildstabiliserung arbeitet, wird in der Regel in EV-Stufen ausgedrückt, um wie viel länger man damit aus der Hand belichten können sollte, ohne das Verwacklungen zu sehen sein sollten. Der IBIS der Fujifilm X-T5 wird offiziell mit “bis zu 7EV” beworben – das halte ich persönlich jedoch für etwas zu hoch gegriffen. Ab wann man Verwacklungen jedoch wirklich sieht, hängt natürlich stark von der verwendeten Ausgabegröße der Aufnahme ab. Für Social Media würde ich da mitgehen, für großformatige Ausstellungsdrucke eher nicht. Bei Verwendung eines Statives würde ich dazu raten, die Bildstabilisierung auszuschalten, da diese sonst ungewollte Unschärfen produzieren kann (außer bei Sturm, da würde ich ihn eher eingeschaltet lassen).
Der Autofokus
Auch auf dem Gebiet der Fokussierung hat Fujifilm sich enorm weiterentwickelt. Jedoch muss ich hier zugeben, dass Sony auf diesem Feld (so ungern ich diese Kameras in die Hand nehme) immer noch in meinen Augen die Nase vorn hat, Canon hat in den letzten Jahren auch wieder sehr aufgeholt, aber Fujifilm kommt an diese beiden einfach nicht heran. Sollte also jemand absolutes Augenmerk auf einen blind zu vertrauenden Autofokus legen, würde ich ihn eher zu Sony schicken. Ich persönlich brauche keinen enorm schnellen Autufokus in meinen Motiven – oft fokussiere ich sogar manuell (was z.B. mit T/S-Objektiven ja auch gar nicht anders geht). Dennoch bietet die Fujifilm X-T5 natürlich auch im AF-Sektor Einzelpunkt-, Zonen- oder Verfolgungsoptionen mit anpassbaren Parametern an, so dass auch anspruchsvolle Anwender auf ihre Kosten kommen (ein Beispiel für hervorragende Wildlife- und Kampfjet-Bilder mit der Fujifilm X-T5 ist Craig Swanson).
Aber wenigstens ein Beispiel: Es wurde auf die Möwen fokussiert und selbst mit dem 16-80/4, was nicht gerade für seinen rasanten AF bekannt ist, hat hier den Fokus zuverlässig getroffen.
Freue mich auf eure Rückmeldungen, viele Grüße
Martin